STIFTUNGSINFO

EINE KUNDENINFORMATION DER VON GRAFFENRIED GRUPPE

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Frage nach den Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer Stiftung akzentuiert sich in unterschiedlichen Konstellationen: bei der Errichtung einer Stiftung vom Stifter, im Rahmen einer vorausschauenden Nachlassplanung oder vom Stiftungsrat bei einer Zweckänderung. Um eine Steuerbefreiung wegen Verfolgung von gemeinnützigen oder öffentlichen Zwecken zu erlangen, müssen die Mittel ausschliesslich und unwiderruflich einem dieser beiden Zwecke gewidmet sein. Dabei lohnt es sich, sich frühzeitig und umfassend damit zu befassen.

Doch es kann bei einer Stiftung die Situation eintreten, dass, neben dem bisherigen gemeinnützigen und damit steuerbefreiten Zweck bei der Errichtung einer Stiftung, später durch Verfügung von Todes wegen auch (i) ein zusätzlicher Zweck vorgesehen wird oder (ii) Vermögenswerte gewidmet werden, die nicht steuerbefreiungswürdig sind. Diesfalls stellt sich die Frage: Gibt es eine Möglichkeit, die Steuerbefreiung trotzdem mindestens teilweise zu erhalten?

WISSEN AKTUELL

Teilweise Steuerbefreiung – unter bestimmten Voraussetzungen kann die Spartenrechnung eine Option sein

Die EDMALUSA-CAVALLINO STIFTUNG – ein Anschauungsbeispiel
Die EDMALUSA-CAVALLINO STIFTUNG mit Sitz in Bern bezweckt gemäss den geltenden Statuten den Erhalt, den Unterhalt und die Unterstützung des Pferdebestandes. Unter Berücksichtigung des Stifterwillens hat der Stiftungsrat den Stiftungszweck konkretisiert und ein Stiftungskonzept mit Förderkriterien erarbeitet. So unterstützt die EDMALUSA-CAVALLINO STIFTUNG Projekte von gemeinnützigen und demzufolge steuerbefreiten Organisationen, bei denen unmittelbar das Pferd profitiert. Die Stiftung kann z. B. die Anschaffung von Pferden entsprechender Organisationen finanzieren, die mittels Reittherapien das Gemeinwohl im gesundheitlichen Bereich fördern. Dabei handelt es sich um die Haupttätigkeit der Stiftung, die als gemeinnützig zu qualifizieren ist.

Die Stifterin war – wie es der Stiftungszweck vermuten lässt – eine Pferdeliebhaberin und ihr war es ein Anliegen, dass ehemalige Sportpferde nicht einfach ausgemustert werden, sondern einen würdigen Lebensabend verbringen. So hat die Stifterin alte oder verletzte ehemalige Sportpferde in die Stiftung eingebracht, deren Unterhalt nun von der Stiftung finanziert wird. Doch die Unterstützung von «ausgedienten» Pferden liegt nach neuerer Rechtsprechung nicht im Allgemeininteresse, weshalb eine Steuerbefreiung wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke für den Erhalt und den Unterhalt des gestifteten Pferdebestandes ausgeschlossen ist (BGE 2C 147/2019 vom 19. August 2019). Die Stiftung verfolgt somit neben ihrer gemeinnützigen Tätigkeit auch einen nicht gemeinnützigen steuerpflichtigen Teilzweck.

Teilweise Steuerbefreiung bei gemischter Zwecksetzung
Die EDMALUSA-CAVALLINO STIFTUNG hat somit eine gemischte Zwecksetzung: Die Sparte «Gemeinnützigkeit» erfüllt alle für die Gewährung der Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit erforderlichen Voraussetzungen, die Sparte «Erhalt und Unterhalt des gestifteten Pferdebestandes» ist hingegen nicht steuerbefreiungswürdig.

Die Mittel der steuerbefreiten juristischen Person müssen ausschliesslich und unwiderruflich dem steuerbefreiten gemeinnützigen oder öffentlichen Zweck gewidmet sein. Für die einzelnen Zwecke müssten grundsätzlich verschiedene Rechtsträger geschaffen werden. Anstelle der Schaffung von zwei verschiedenen Rechtsträgern kann hier die Spartenrechnung mit einer teilweisen Steuerbefreiung einen Lösungsansatz bieten. Es muss dabei ausgeschlossen werden, dass die für den gemeinnützigen Zweck bestimmten Vermögenswerte für steuerpflichtige Zwecke verwendet werden. Die Stiftung hat für eine organisatorisch und rechnungsmässig klare Trennung ihrer Tätigkeiten zu sorgen und muss durch getrennte Finanzkreisläufe verhindern, dass Vermögenswerte zweckentfremdet werden. Die steuerbefreite Stiftungstätigkeit muss dabei ins Gewicht fallen.

Die Spartenrechnung der EDMALUSA-CAVALLINO STIFTUNG
Die Tätigkeiten der Stiftung lassen sich – wie hiervor ausgeführt – klar in zwei Bereiche aufteilen, womit das Erfordernis der organisatorischen Trennung erfüllt ist. Dafür führt die Stiftung eine nach Sparten getrennte Buchhaltung (Spartenerfolgs- bzw. Fondsrechnung) und stellt damit sicher, dass keine Durchmischung oder Quersubventionierung der beiden Vermögenswerte bzw. Bereiche entsteht (siehe Darstellung mit fiktiven Zahlen).

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Vermögenserträge und allgemeiner Verwaltungsaufwand werden gemäss definiertem Umlageschlüssel auf die beiden Sparten verteilt. Direkt zuordnungsbarer Aufwand wird den einzelnen Sparten belastet. Dabei entstehen eigentliche Fondsrechnungen mit klarer Trennung des Kapitals sowie der einzelnen Aufwände und Erträge.

Fazit: Mit dieser eleganten, mit der Steuerverwaltung zu vereinbarenden Lösung kann dem Willen der Stifterin und der Erblasserin vollumfänglich Rechnung getragen werden, ohne zwei separate, kostspielige Rechtsträger führen zu müssen.

INTERVIEW

Die Spartenrechnung aus der Perspektive der Stiftungsaufsicht

Interview mit Sandra Anliker, Bereichsleiterin Klassische Stiftungen und Familienausgleichskassen der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA)

Welche grundsätzlichen Überlegungen ergeben sich zur Spartenrechnung von klassischen Stiftungen aus der Perspektive der Stiftungsaufsicht?
Zu beachten ist, dass die Gemeinnützigkeit kein Begriff des Stiftungs-, sondern des Steuerrechts ist. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass das Stiftungsvermögen zweckkonform verwendet wird. Wir prüfen, ob die Tätigkeit der Stiftung dem Zweck oder den verschiedenen Teilzwecken zugeordnet werden kann.

Worauf ist aus stiftungsaufsichtsrechtlicher Sicht das Augenmerk bei der Spartenrechnung zu legen?
Unser Augenmerk liegt darauf, dass uns neben der Spartenrechnung stets auch der «konsolidierte Geschäftsbericht» (umfassend Bilanz, Betriebsrechnung und Anhang), somit ein Zusammenzug aller Spartenrechnungen, eingereicht wird. Auch muss sich der Prüfbericht der Revisionsstelle auf diesen «konsolidierten Geschäftsbericht» beziehen.

Nimmt die Anzahl klassischer Stiftungen mit Spartenrechnungen zu? Worin ist die Entwicklung begründet?
Wir gehen davon aus, dass die Anzahl zunimmt. Einen Grund dafür sehe ich einerseits in der grundsätzlich zu beobachtenden Entwicklung der Formen und Arten der Stiftungen. So zeigen sich häufiger Stiftungen mit gemischter Tätigkeit. Anderseits entwickeln ursprünglich als rein gemeinnützig errichtete Stiftungen im Laufe ihres Bestehens eine wirtschaftliche Tätigkeit.